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Schweizer Blasmusik-Dirigentenverband

«Die Akustik ist die Realität»

20. Oktober 2018

Die BDV-Reise nach Belgien zeigte einmal mehr, wie wichtig der Maestro für den Klang eines Orchester ist.   

 

 

1962 hat die Unesco erstmals vom «Lebenslangen Lernen» gesprochen. Trotz der vielfachen Verwendung des Begriffs fehlt zwar bis heute eine einheitliche Definition. Klar ist aber trotzdem, dass heute niemand mehr darum herumkommt, die Veränderungen aufzunehmen und sich anzupassen – das gilt auch für Dirigenten.

Eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Weiterbildung bot Mitte Oktober die Reise des Schweizer Blasmusik-Dirigentenverbandes nach Belgien. In dieser kurzen Zeiten blieb es zwar bei rudimentären Kenntnissen in Flämisch – die blasmusikalischen Erfahrungen aber bleiben.

Was auch dazu gehört

Was aber auch zu einer solchen Reise gehört: «Interessante Begegnungen, Horizonterweiterungen, Austausch mit Gleichgesinnten und Verbündeten», so das Fazit von Reiseteilnehmer Fritz Neukomm (ehemaliger Präsident der SBV-Musikkommission).

Der Besuch beim belgischen Luftwaffenorchester war eine Offenbarung in Sachen Ausdrucksdirigieren und übertraf die Erwartungen. Capitain Matty Cilissen brillierte an der Hauptprobe vor einem Konzert in einer Kirche bei der Suche nach dem perfekten Klang. «Es ist Strauss, nicht Mozart», so eine der Anweisungen an die professionellen Musikerinnen und Musiker. Tröstlich, dass auch hier immer wieder mehr Transparenz und weniger Lautstärke verlangt wurden.

«Bitte keine Klangsuppe»

In einer Kirche ist das natürlich nicht immer einfach. Was Cilissen zur Bemerkung veranlasste: «Die Akustik ist die Realität». Die Musikerinnen und Musiker (ein Drittel der zirka 45 Musikanten sind Frauen) passten sich dann relativ schnell an. Cilissen probt mit grossem physischem Aufwand. Er war in jeder Beziehung glaubwürdig, ehrlich, sympathisch und kompetent. Auch wenn der Maestro immer wieder feststellte: «Technisch ist es formidabel, aber ich will weniger Forte.» Und später: «Ich will viel Energie – aber sehr transparent. Ich will keine Klangsuppe.» Das tönt doch in der Schweiz häufig auch so…

Geprobt wurden unter anderem:

  • Morgenlied und Aufzug der Heere, aus der Oper Lohengrin, von Richard Wagner
  • Suite aus Rosenkavalier, von Richard Strauss, arr. Jan Cober

Einige Reiseteilnehmer lernten in der Pause den belgischen Komponisten Johan Nijs persönlich kennen. Er spielt Klarinette im Luftwaffenorchester, wird aber in acht Monaten in Pension gehen. Bisher hat er nach eigenen Angaben 500 bis 600 Werke komponiert – bald wird er noch mehr Zeit für sein Hobby haben.

Jedes Mal klingt es anders

Vier Schweizer Dirigenten konnten anschliessend mit der «Koninklijke Muziekkapel van de Luchtmacht» am Werk «Elsas Prozession zum Münster» proben. Sie erhielten vom Chefdirigenten viel Lob und zahlreiche persönliche Tipps. Das technisch eher einfache Werk ist für Dirigent und Orchester interessant, weil es darum geht, über mehrere Minuten die verlangte Spannung aufzubauen. Dem Dirigenten stellt sich also die Frage: Was braucht es, damit es klingt? Wieviel Raum muss ich dem Orchester geben? Wo muss mein Dirigat präziser sein? Wie reagiert ein Profi-Orchester auf kleinste Gesten und Handbewegungen? Welche Bewegung passt für welche Lautstärke oder Intensität?

Folgende Schweizer Dirigenten durften je 20 Minuten mit der Koninklijke Muziekkapel van de Luchtmacht proben:

  • Martin Meier (Kommentar Matty Cilissen: «Sehr gut, sehr musikalisch.»)
  • Markus Rosenberger («Schauen Sie die Leute an – am Schluss (gemeint ist im fff) müssen Sie das Orchester auffressen!»)
  • Urs Heri («Sehr präzise, sehr gut, bravo!» / Aber auch: «Sie dirigieren piano, aber das Orchester spielt nicht piano.» / Und: Der Dirigent müsse die Linien zeigen, aber so dass der Puls spürbar bleibt.)
  • Stefan Roth («Ein sehr guter Maestro»)

Es war sehr erhellend zu sehen, wie das Orchester auf einen anderen Dirigenten reagiert, der das Werk leicht anders gestaltet als Stammdirigent Cilissen. Bei jedem der vier Dirigenten klang das Orchester anders, was einmal mehr dokumentierte, wie wichtig der Maestro ist.

Eine Lernstunde

Interessante Begegnungen gab es aber auch der Probe der der «Koninklijke Fanfare Kunst en Vermaak Lovenjoel». Dirigent Jan Huysentruyt ist Musiker in der Luftwaffenkapelle. Die Dorfmusik spielt in der in den Benelux-Staaten typischen Fanfare-Besetzung (Blechmusik und Saxophone, was reizvolle Klangfarben ermöglicht). Dieser Typ ist den Benelux-Staaten und in Nordfrankreich stark verbreitet, zahlreiche Komponisten schreiben Werke für Hafabra (also für alle drei Besetzungen).

Was bei dieser Dorfkapelle auffiel: Eine halbe Stunde vor Probebeginn ist schon viel Betrieb feststellbar – mit Einrichten, Diskutieren, etwas Trinken (aber leider kaum mit Einspielen) ist die Zeit schnell vorbei. Fritz Neukomm dazu: «Unsere Gruppe sah wieder einmal hinter die Kulissen einer Dorfmusik, die sich musikalisch auf bescheidenem Niveau bewegt, die aber trotzdem überleben wird, weil sie in der Gemeinde einen wichtigen Platz einnimmt.»

Und weiter: «Für junge, unerfahrene Dirigenten wäre diese Fanfare ein Lehrstück. Wo fehlt es? Was macht eigentlich der Dirigent, der völlig unvorbereitet zur Probe erschienen ist, der zwar musikalisch ist, rein vorsingt, didaktisch aber total versagt.» Junge Mitglieder – die unter den Reiseteilnehmern fehlten – hätten hier konkrete Lösungsansätze erarbeiten können, findet Neukomm.  

Im Instrumentenmuseum
Den zweiten Tag in Brüssel verbrachte die Reisegruppe in Brüssel. Nach einer geführten Stadtbesichtigung konnte die Innenstadt auf eigene Faust erkundet werden. Verschiedene Reiseteilnehmer nutzten die Zeit für einen Besuch des belgischen Instrumentenmuseums. Hier wurden verschiedene, manchmal exotisch anmutende Vorläufer unserer heutigen Instrumente entdeckt. Das Ausstellungskonzept unterscheide sich wesentlich von jenem der «Klingenden Sammlung» in Bern, fand Fritz Neukomm, der übrigens als regelmässiger Mitarbeiter auf Anfrage auch Gruppen durch die «Klingende Sammlung» führt.

Den Abschluss bildet der Besuch eines Konzerts des Meccore String Quartets im Palais des Beaux-Arts in Brüssel. Der grosse Konzertssaal erwies sich als sensibel, klar und transparent.

Weiterbildung heisst aber nicht bloss Wissen pauken. Einer der spannendsten Programmpunkte auf der BDV-Reise waren die täglichen Kontakte unter Gleichgesinnten. Der Austausch zwischen Profi-Dirigent und Amateur-Dirigent oder  zwischen dirigierendem Musiklehrer und mitgereister Musikantin hat alle bereichert.

 

 

Wann sind Sie dabei?

Wann profitieren Sie von der Kombination Weiterbildung und persönlicher Austausch? Notieren Sie sich zum Beispiel den 7. September 2019 – der Schweizer Blasmusik-Dirigentenverband BDV wird rund um den Dirigentenwettbewerb in Baden ein weiteres Seminar organisieren. Wir freuen uns jetzt schon auf Ihren Besuch!

 

Lesen Sie hier auch die Anekdoten der Belgien-Reise