Als Sieger nach Los Angeles
Der 28-jährige Waadtländer Théo Schmitt ist der beste Nachwuchsdirigent der Schweiz. Er hat den Schweizerischen Dirigentenwettbewerb in Baden dank einer Kombination aus natürlicher Ausstrahlung und perfekter Probenarbeit gewonnen.
Hochstehender 9. Schweizerischer Dirigentenwettbewerb in Baden
Was ist ein guter Dirigent? Tänzer, Lehrer, Therapeut, Einpeitscher, Rapper oder Diva? Die Droge des gemeinsamen Musizierens mache süchtig, sagten die Organisatoren am Final des 9. Schweizerischen Dirigentenwettbewerbs. Die Chance, in den Flow zu gelangen ist wesentlich grösser, wenn der Dirigent begeistert, charismatisch ist und alle in seine Welt mitnimmt. Diese Talentförderung ist Aufgabe des bewährten Anlasses, der diese Woche in Baden stattgefunden hat.
Alle Entscheidungen der dreiköpfigen Jury fielen einstimmig: Der Sieger des neunten Schweizerischen Dirigentenwettbewerbs heisst Théo Schmitt aus Palézieux. Der 28-jährige Waadtländer überzeugte mit seiner Interpretation des Höchstklasswerks «Praise Jerusalem» von Alfred Reed. Der Aargauer Raphael Honegger belegt den zweiten, der Walliser Laurent Zufferey den dritten Platz.
«Ein überzeugender Dirigent»
Die Preise werden nur vergeben, wenn die hohen Anforderungen der Jury (Jan de Haan, Philippe Bach und Carlo Balmelli) erfüllt werden. Das war diesmal der Fall, war doch das Niveau der 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer insgesamt ausserordentlich hoch. Die Jury hat sich für Schmitt entschieden, weil er über die ganze Woche gesehen klar der Beste gewesen sei, wie Jurypräsident Jan de Haan ausführte. Der Waadtländer probe sehr gut und habe die Partitur ausgezeichnet im Kopf. Dabei trete er trotz des Drucks des Wettbewerbs selbstsicher und überzeugend auf. Dank seiner guten Ausstrahlung und dem guten Kontakt zu den Orchestern ist Schmitt laut Jurypräsident Jan des Haan ein überzeugender Sieger.
Sieger Théo Schmitt hatte unmittelbar nach der Rangverkündigung Mühe zu begreifen, was der Sieg für seine Karriere bedeutet. Da er nächste Woche in Los Angeles ein zweijähriges Studium in Filmmusik beginnen wird, sei momentan sowieso viel los. Das habe ihn möglicherweise entlastet und Druck weggenommen. Stattdessen konnte er Proben und Konzerte von Tag zu Tag mehr geniessen. Sorgen gemacht hatte sich der Romand im Vorfeld einzig wegen der Sprachbarriere. Im Endeffekt waren die fehlenden Deutschkenntnisse aber eher ein Vorteil, weil er so auf sehr sympathische Weise auf die Orchester zugehen konnte und sich eher mit den Mitteln eines Dirigenten ausdrückte statt mit vielen Worten.
Das «falsche» Werk
Für den Final dann der gleiche Effekt: Schmitt wurde mit «Praise Jerusalem» genau jenes Stück zugelost, das er keinesfalls haben wollte. Er hat dann zwischen Halbfinal und Final die ganze Nacht durchgearbeitet und war am Morgen schliesslich sehr überzeugt von dieser Komposition. Deshalb sagt Théo Schmitt auch: «Gewinnen ist nicht das Wichtigste am Dirigentenwettbewerb.» Im Vordergrund stehe der Lernprozess für und während des Anlasses – in diesem Sinne freut er sich nun auch auf die bevorstehende Detailkritik der Jury.
Der Dirigentenwettbewerb geniesst in der Blasmusikszene einen ausgezeichneten Ruf. Er ist eine einzigartige Plattform um sich zu messen, sich einer Jury zu stellen und mit tollen Orchestern zu musizieren. Vormalige Sieger sind heute noch erfolgreiche Dirigenten und geniessen einen ausgezeichneten Ruf. Auch für das Publikum ist diese Art der Nachwuchsförderung höchst interessant. Denn selten kann man so direkt vergleichen, wie sich Dirigenten verhalten, mit welchen Gesten und Blicken sie das Orchester steuern, ob sie es schaffen Spannung zu erzeugen, ob ihr Umgang mit dem Dirigentenstab dem Werk angemessen ist und ob der Kandidat den Musikerinnen und Musikern Raum zum Musizieren lässt.
Anspruchsvolle Ausscheidung
Für den 9. Schweizerischen Dirigentenwettbewerb hatten sich ursprünglich 23 Kandidatinnen und Kandidaten angemeldet und in insgesamt vier Runden ein anspruchsvolles Programm zu bewältigen. Die zwölf von der Musikkommission zum Schweizerischen Dirigentenwettbewerb zugelassenen Personen hatten seit Mitte Woche in der Vorrunde während einer halben Stunde mit dem Blasorchester Baden Wettingen ein dem Orchester unbekanntes Werk einstudieren. Im Halbfinal am Freitag erhielten die Kandidaten fünf Minuten Zeit um eine der Brass Band Emmental bereits bekannte Komposition zu proben resp. strategische Stellen anzuspielen. Anschliessend wurde das Werk aufgeführt. Im Final schliesslich studierten die drei Finalisten während je 45 Minuten eine dem Sinfonischen Blasorchester Bern (Sibo) bekannte Komposition mit höchsten Anforderungen ein, die schliesslich am Galakonzert aufgeführt wurde.
Der Wettbewerb ist auch für die Orchester eine Herausforderung, weil die Kandidaten die einzelnen Stellen unterschiedlich interpretieren. Es gibt verschiedene Strategien, ein Werk zu erarbeiten. Für die Dirigentinnen und Dirigenten stellt sich – nebst den hohen fachlichen Herausforderungen – die Frage, wie sie die Aufmerksamkeit des Orchesters erringen. Ein kurzes Nicken für einen Einsatz, ein Lächeln nach einem gelungenen Solo oder ein Witzchen vor dem Start zeigen, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat über der Sache steht.
Die neunte Austragung des Dirigentenwettbewerbs war ein voller Erfolg. Erstmals waren (mit Ausnahme der Kandidatenselektion) alle Wettbewerbsrunden öffentlich. Alles klappte reibungslos, wie Jury, Zuschauer und Kandidaten einhellig bestätigten. So bleibt zu hoffen, dass es die finanzielle Lage des Vereins Schweizerischer Dirigentenwettbewerb zulässt, in drei Jahren wieder eine solche Plattform für junge Dirigentinnen und Dirigenten zu organisieren.
Kurzporträt
Théo Schmitt ist 28 Jahre alt und kommt aus Palézieux. Er hat am Konservatorium sowie der Musikhochschule Lausanne Orchesterleitung studiert. Seit 2018 leitet er das Orchestre Quipasseparlà. Er hat die Orchester L’Harmonie d’Oron, die Junge Garde der Landwehr de Fribourg und L’Avenir d’Aclens dirigiert und hat bei zahlreichen Festivals vor allem für junge Musizierende mitgewirkt. Er möchte als Dirigent die Musikerinnen und Musiker des Orchesters mit seiner Leidenschaft mitreissen und gibt ihnen dafür in den Momenten des gemeinsamen Musizierens alles, was er hat. Théo Schmitt komponiert zudem seit 2012 in verschiedenen Stilrichtungen. In der kommenden Woche führt ihn sein musikalischer Weg daher aus der Schweiz hinaus. Er wird in Los Angeles Filmmusikkomposition studieren. Schmitt dirigierte im Final des Dirigentenwettbewerbs «Praise Jerusalem» von Alfred Reed.
Rangliste
1. Preis: Théo Schmitt, Palézieux (VD)
2. Preis: Raphael Honegger, Birr (AG)
3. Preis: Laurent Zufferey, Sion (VS).
Den Halbfinal bestritten diese drei Kandidaten sowie Gaudens Bieri (Trimmis, GR), Emilie Chabrol (Basel, BS) sowie Mathieu Charrière (Saint Gervais, F).
Bilder: zvg/Danielle Liniger
Gruppenbild von links: Raphael Honegger (2. Preis), Théo Schmitt (1. Preis), und Laurent Zufferey (3. Preis). Bild: Danielle Liniger/zvg